2. März 2021
Dieselskandal EA288: Warum VW jetzt Kläger-Anwälte zu Buhmännern machen will
VW versucht im EA288-Dieselskandal verstärkt, Kläger-Anwälte zu Buhmännern zu machen. Seit Monaten fährt der Konzern eine fragwürdige PR-Kampagne gegen Anwaltskanzleien, die sich auf das Thema Diesel-Abgasskandal spezialisiert haben und geschädigten Verbrauchern zu ihrem Recht verhelfen. Verbraucherschützer vermuten dahinter Kalkül, um weitere Klagen rund um den VW-EA288-Motor zu vermeiden, die dem Konzern bisher hohe Kosten beschert haben. Denn laut eines Berichts im Wirtschaftsmagazin „Capital“ nehmen zurzeit EA288-Klagen zu, darüber hinaus auch verbraucherfreundliche Urteile gegen den Fahrzeughersteller.
VW Dieselskandal: Beharrlichkeit der Kläger-Anwälte führte schon beim EA189 zum Erfolg
Beim VW-Skandalmotor EA189, der den Dieselskandal im Herbst 2015 ausgelöst hatte, war die Beharrlichkeit der Kläger-Anwälte letztendlich belohnt worden. Volkswagen hatte in dem Motor eine illegale Abschalteinrichtung eingesetzt und damit Abgaswerte manipuliert. Somit waren die Fahrzeuge auf dem Prüfstand sauber, im Straßenverkehr jedoch nicht. Im Mai 2020 urteilte der Bundesgerichtshof (BGH), dass VW seine Kunden arglistig getäuscht hat und grundsätzlich zu Schadensersatz verpflichtet ist. Hunderttausende VW-Kunden konnten so auf verschiedene Art ihre Ansprüche geltend machen.
Anwälte setzen sich im VW-Dieselskandal auch für Nachfolger EA288 ein
Mittlerweile ist durch zahlreiche Gutachten und an die Öffentlichkeit gelangte VW-interne Dokumente belegt, dass auch der Nachfolgemotor EA288 unzulässige Abschalteinrichtungen enthält. Hier geht es unter anderem um das sogenannte »Thermofenster« – eine von der Automobilindustrie gewählte, völlig unpassende weil verharmlosende Bezeichnung. Dieser Begriff umschreibt das Abgasverhalten von Fahrzeugen im Betrieb in Abhängigkeit von der Außentemperatur. Auch hier kämpfen Verbraucheranwälte an der Seite der Fahrzeugbesitzer, die sich von VW betrogen fühlen und Schadensersatz einfordern.
Medienberichte: Ende Januar 2021 knapp 8.500 EA288-Klagen
Obwohl VW in seiner PR-Kampagne behauptet, dass die EA288-Klagen gegen den Konzern größtenteils verloren gingen, zeigen zahlreiche jüngste Urteile deutlich das Gegenteil. Seit Anfang 2021 hat VW mit zahlreichen Rückschlägen vor Gericht zu kämpfen (beispielsweise LG Offenburg Az. 2 O 168/20 und LG Duisburg Az.: 12 O 88/20). Die Richter scheinen sich vermehrt von der Argumentation der Anwälte überzeugen zu lassen und urteilen im Sinne der Verbraucher. Immer mehr Gerichte ordnen Beweisbeschlüsse an. Gerade erst im Februar 2021 wurde auf oberlandesgerichtlicher Ebene ein verbraucherfreundliches Urteil zum EA288 gefällt (OLG Köln, Az.: 19 U 151/20). Insgesamt sollen Ende Januar 2021 laut Capital knapp 8.500 EA288-Klagen vorliegen.
EA288 Dieselskandal: Kläger-Anwälte bekommen von VW den schwarzen Peter zugeschoben
Daher es nicht verwunderlich, dass VW versucht, die Kläger-Anwälte zu Buhmännern zu machen. So wurde Hiltrud Werner, die im VW-Vorstand zuständig für den Bereich Recht und Integrität ist, am 28. Februar 2021 in der FAZ zitiert, »dass sich in Deutschland eine Klageindustrie entwickelt hat, der es nicht mehr um die rechtliche Klärung für ihre Mandanten geht, sondern um die eigenen Gebühren«. Für Rechtsanwalt Helmut Dreschhoff von der BRR Verbraucherkanzlei Baumeister Rosing ist dies nicht nur ein für einen Weltkonzern unwürdiges Verhalten: »Frau Werner greift auch noch tief in die Klischee-Mottenkiste und schert alle Anwälte als geldgierige Abzocker über einen Kamm. Dass es zurzeit so viele EA288-Klagen gibt, liegt ja ganz offensichtlich am Wunsch der geschädigten VW-Kunden, endlich Schadensersatz für ihr mangelhaftes Fahrzeug zu bekommen.«
Verbraucherschützer: VW versucht sich herauszureden
»Das Kernproblem ist, dass das sogenannte ›Thermofenster‹ in der genutzten Ausprägung schlicht unzulässig ist und VW sich hier nach wie vor herauszureden versucht«, sagt Dreschhoff. »Daher ist die Behauptung, Anwälte würden hier falsche Hoffnungen schüren, einfach falsch. Denn durch die jüngste Entwicklung an den Gerichten sehen wir, dass geschädigte EA288-Besitzer gute Chancen auf Schadensersatz haben. Wir kämpfen weiterhin dafür, dass der größte Verbraucherskandal Deutschlands in vollem Umfang aufgearbeitet wird.«
EA288: Richter lassen sich zunehmend von der Argumentation der Anwälte überzeugen
Deshalb sollten VW-Kunden sich nicht durch die PR-Kampagne und derartige Äußerungen des Vorstands abschrecken lassen, so der Rechtsanwalt. »Denn wie man zurzeit deutlich sieht, lassen sich die Richter zunehmend von unserer Argumentation überzeugen. Das war auch beim EA189-Motor der Fall, bei dem es ebenfalls lange Zeit Rechtsunsicherheit gab. Hier hat VW auch bis zum Schluss jegliche Täuschungshandlung bestritten und genauso alle Verantwortung von sich gewiesen. Am Ende hat die Beharrlichkeit der ›Klageindustrie‹ letztendlich zum Erfolg gegen die ›Betrugsindustrie‹ bei VW geführt.«
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