30. April 2021

Unwirksame PKV-Beitragserhöhungen: Der selbst verursachte Schaden der Versicherungsbranche

Unwirksame PKV-Beitragserhöhungen: Der selbst verursachte Schaden der Versicherungsbranche

Der Bundesgerichtshof (BGH) hat im Dezember 2020 mit zwei Urteilen entschieden (Az.: IV ZR 294/19 und IV ZR 314/19), dass PKV-Beitragserhöhungen unwirksam sind, wenn sie unzureichend erklärt wurden. Das bedeutet, dass privat Krankenversicherte sich zu viel gezahlte Beiträge von ihrer PKV zurückholen können. Über Jahre hatten die Versicherer ihre Kunden mit schwammigen und unverständlichen Erhöhungsschreiben abgespeist, obwohl die Begründungen bestimmten gesetzlich festgelegten Anforderungen entsprechen müssen. Die Versicherungsbranche versucht nun verstärkt, mit Angstmache vor steigenden Kosten durch Rückforderungen ihren selbst verursachten Schaden zu begrenzen.

Versicherer müssen PKV-Beitragserhöhungen ausreichend erklären

Laut § 203 Abs. 5 des Versicherungsvertragsgesetzes (VVG) müssen PKV-Beitragserhöhungen im nötigen und verständlichen Umfang erklärt werden. Die Begründung einer Prämienanpassung erfordert die Angabe des sogenannten auslösenden Faktors, dessen Veränderung die Anpassung veranlasst hat. Das bedeutet: Der Verbraucher muss nachvollziehen können, warum sein Tarif teurer wird. Nicht mitteilen muss der Versicherer hingegen, in welcher exakten Höhe sich die Faktoren verändert haben. Er hat auch nicht die exakte Veränderung der Rechnungsgrundlagen, welche die Prämienhöhe beeinflusst haben – wie zum Beispiel des Rechnungszinses oder der Lebenserwartung – anzugeben. Dennoch reicht der allgemeine Verweis auf gestiegene Kosten, so wie es fast alle Versicherer in den vergangenen Jahren praktiziert haben, nicht aus.

PKV-Beitragserhöhungen: Versicherer haben den Schaden selbst verursacht

Hier rächt sich nun das jahrelange schlampige Vorgehen der Versicherer. Die Unternehmen und deren Rechtsabteilungen wissen ganz genau, nach welchen Kriterien Beitragserhöhungen vorgenommen werden dürfen. Dennoch hat sich jahrelang fast keine Versicherung an die gesetzlichen Vorgaben gehalten. Für uns als Verbraucherkanzlei sieht das nach mangelnder Sorgfalt aus, möglicherweise um Kosten zu sparen. Jedoch sind schwammige Formulierungen und unverständliche Kundenanschreiben von Unternehmen schon lange ein Problem und haben bereits zu großen Verbraucherskandalen geführt. Deshalb halten wir es für folgerichtig, dass Unternehmen auch die Konsequenzen tragen müssen, wenn sie geltende Gesetze umgehen. Hier werden Rechte, für die Verbraucherschützer lange gekämpft haben, ganz einfach missachtet.

Angstmache: Verunsicherung der PKV-Kunden

Die Versicherer versuchen nun, den selbst verschuldeten Schaden möglichst klein zu halten. Wir sehen, dass Unternehmen, bestimmte Versicherungsverbände und auch Makler verstärkt versuchen, PKV-Kunden vom Vorgehen gegen ihre Versicherung abzuhalten. Dabei greifen sie gern zum Mittel der Angstmache, indem sie einen Schaden am Versichertenkollektiv heraufbeschwören. Wenn Versicherte sich zu viel gezahlte Beiträge zurückholen, würden sie sich selbst langfristig ins eigene Fleisch schneiden. Denn die Versicherer, so lautet die Argumentation, müssten sich die dadurch entstehenden Kosten mit den nächsten Beitragserhöhungen zurückholen.

PKV-Beitragserhöhungen: Liegen die gesetzlichen Vorraussetzungen vor?

Dies ist aber nicht zulässig. Jede private Krankenversicherung kann nur dann Beiträge anpassen, wenn die gesetzlichen Voraussetzungen des Versicherungsvertragsgesetzes (VVG) und des Versicherungsaufsichtsgesetzes (VAG) vorliegen. Ist dies der Fall, regelt die Krankenversicherungsaufsichtsverordnung (KVAV, dort §§ 2 bis 8), welche sogenannten »Rechnungsgrundlagen« Einfluss auf die Beitragshöhe haben dürfen, also berücksichtigt werden dürfen. Hierzu zählen etwa die durchschnittlichen Versicherungsausgaben mit Blick auf eine Tarifgruppe, die Ausscheidewahrscheinlichkeiten oder aber die Zinsentwicklung. Hierbei handelt es sich um Faktoren, die einerseits vom konkreten Versicherungsverhältnis losgelöst sind und die andererseits die Ausgaben und Einnahmen im Rahmen der Versicherungsverträge zugrunde legen. Etwaige Verluste des Unternehmens – etwa durch Rückzahlungen wegen unwirksamer PKV-Beitragserhöhungen –, sind also kein Faktor, der das Versicherungsunternehmen nach der geltenden Rechtslage dazu berechtigt, etwaige Fehlbeträge auf die Beiträge des Versicherungskollektivs aufzuschlagen.

Unwirksame PKV-Beitragserhöhungen: Versicherer wollen den Schaden begrenzen

Im Rahmen der Schadensbegrenzung der Versicherer stellen wir auch eine Stimmungsmache gegen Verbraucherkanzleien fest, die Beitragsrückforderungen der PKV-Kunden durchsetzen. Man bedient immer wieder das alte Klischee des geschäftstüchtigen Rechtsanwalts, den nur seine Gebühren interessieren. Dass es hier vor allem um die Missachtung geltender Gesetze geht, lassen die Versicherer gern unter den Tisch fallen. Außerdem sehen wir, dass sie die zunehmenden Online-Aktivitäten von Rechtsanwälten unter Beschuss nehmen. Versicherer und Makler merken, dass auch Kanzleien moderne Kommunikationswege benutzen, um den Menschen ihre rechtlichen Möglichkeiten näherzubringen. Offenbar sieht die Branche es als Bedrohung an, dass Menschen über das Internet mittlerweile schneller über Rechtsthemen aufgeklärt werden und so ihre Verbraucherrechte durchsetzen können.

PKV-Kunden sollten sich unverbindlich beraten lassen

Wir von der BRR Verbraucherkanzlei Baumeister Rosing empfehlen allen PKV-Kunden, sich erst einmal unverbindlich über ihre Möglichkeiten in Sachen Beitragsrückforderung beraten zu lassen. Zwar müssen die Gerichte noch abschließend klären, wie lange PKV-Kunden rückwirkend die Beitragsanhebungen zurückfordern können. Aber die Summen können sich durchaus sehen lassen: Bei drei Jahren liegt der durchschnittliche Erstattungsbetrag bei 3500 Euro im Schnitt, bei zehn Jahren sind es im Durchschnitt 7500 Euro. Das LG Köln hat jüngst im Februar 2021 einem PKV-Kunden knapp 8000 Euro zugesprochen (Az.: 23 O 113/20).

Wir helfen Ihnen gern

Sind Sie privat krankenversichert und möchten wissen, ob Sie Geld aus unwirksamen Beitragserhöhungen zurückfordern können? Wir von der BRR Verbraucherkanzlei Baumeister Rosing helfen Ihnen gern, Ihre Ansprüche gegenüber Ihrer privaten Krankenversicherung geltend zu machen. Unter diesem Link können Sie kostenfrei und ganz bequem von zu Hause aus prüfen lassen, ob Ihre private Krankenversicherung betroffen ist. Auch wenn Sie nicht rechtsschutzversichert sind, beraten wir Sie gern zu Ihren Möglichkeiten. Sie können uns auch telefonisch erreichen: Unter 030 / 22 01 23 80 sind wir montags bis freitags zwischen 9 und 18 Uhr gern für Sie da. Wir machen uns für Sie stark!

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