27. November 2020

EU-Parlament beschließt europäische Sammelklage – ein guter Tag für den Verbraucherschutz

EU-Parlament beschließt europäische Sammelklage
EU-Parlament beschließt europäische Sammelklage

Das EU-Parlament hat Ende November 2020 beschlossen, dass eine europäische Sammelklage ab 2023 in allen 27 Mitgliedstaaten der Europäischen Union möglich ist. Dies soll den Menschen in Europa zukünftig deutlich erleichtern, ihre Ansprüche auf Schadensersatz gegen Konzerne durchzusetzen. Wie wir berichteten, hatten sich Unterhändler des Europaparlaments und der EU-Staaten bereits im Juni 2020 auf die EU-weite Einführung von Sammelklagen geeinigt.

Dieselskandal war Auslöser für europäische Sammelklage

Im Zuge des Dieselskandals um Volkswagen hatte die EU-Kommission seit 2018 das Ziel verfolgt, europaweit Kollektivklagen zu erlauben. Verbrauchern soll besser geholfen werden, sich vor massiven Betrügereien von Unternehmen und dem Missbrauch ihres Vertrauens zu schützen. Dazu gehören beispielsweise auch undurchsichtige Verträge oder Tarife, plötzlich stark steigende Preise für Strom oder Gas, gestrichene Flüge oder etwa mangelnder Datenschutz.
Rechtsanwalt Florian S. O. Rosing von der BRR Verbraucherkanzlei Baumeister Rosing begrüßt die Entscheidung des Europaparlaments und bezieht im folgenden Interview dazu Stellung:

Frage: Wie können EU-Verbraucher konkret von der Sammelklage profitieren?

Florian Rosing: »Die EU-Sammelklage ist ein großer Schritt, der nach dem Dieselskandal längst überfällig war. Verbraucher können ihre Kräfte nun europaweit bündeln und gemeinsam gegen große Unternehmen vorgehen. Das ist von besonderer Bedeutung bei Firmen, die ihren Sitz nicht im Heimatland des oder der Geschädigten haben. Bestimmte Institutionen wie Verbraucherverbände können stellvertretend für die Verbraucher gegen Unternehmen auf Unterlassung und Schadenersatz klagen.
Dabei geht es aber ganz klar über den Abgasskandal hinaus, der ja immer noch nicht vollständig aufgearbeitet ist. Wir sprechen hier von alltäglichen Betrügereien durch Unternehmen, wie zum Beispiel bei Strompreisen, Telefon- oder Bankgebühren, beim Datenschutz, bei Finanzdienstleistungen oder auch bei unrechtmäßigen Beitragserhöhungen privater Krankenversicherungen. Hier kommen bisher noch viel zu viele Unternehmen immer wieder ungeschoren davon.«

Frage: Was ändert sich für deutsche Kläger?

Florian Rosing: »In Deutschland gab es bisher die Musterfeststellungsklage, die man im Zuge des Dieselskandals eingeführt hat. Das bekannteste Beispiel hierfür war die Musterklage des Verbraucherzentrale Bundesverbands (vzbv) gegen VW Ende 2018, der sich etwa 460.000 Diesel-Käufer anschlossen. Diejenigen Geschädigten, die sich nicht mit dem geringen Vergleichsangebot von VW zufriedengeben wollten, mussten ihren Schadensersatz noch in Einzelklagen einfordern. Auch das hat Erfolg und lohnt sich, dauert aber teilweise länger.
Die europäische Sammelklage will jetzt noch einen Schritt weiter gehen. Straffere Verfahren und die automatische Erfassung von allen Betroffenen sollen Klagen beschleunigen, sodass die geschädigten Verbraucher nicht jahrelang auf die Entschädigungszahlung warten müssen.«

Frage: Läuft Europa mit der Sammelklage nicht Gefahr, in eine Klageindustrie wie in den USA abzudriften?

Florian Rosing: »Es gibt durchaus Stimmen, die dies kritisch sehen. Aber um der Entstehung einer Klageindustrie wie in den USA entgegenzuwirken, hat die EU strenge Regeln aufgestellt. Ein Beispiel: Wer den Prozess verliert, muss auch die Gerichtskosten übernehmen. Dies soll einen Missbrauch der neuen Rechte verhindern. Zudem sollen Gerichte und Behörden schon sehr früh entscheiden dürfen, offensichtlich unbegründete Klagen fallen zu lassen.
Ein Problem sehen wir allerdings: Die EU-Mitgliedstaaten sollen innerhalb ihrer Landesgrenzen selbst über die Art der Umsetzung der Richtlinien zur Erhebung einer Klage entscheiden können. Hier besteht durchaus die Möglichkeit des Missbrauchs. Geschädigte Verbraucher könnten dazu verleitet werden, in einem Nachbarstaat Klage zu erheben, da dort möglicherweise mildere Voraussetzungen zur Erhebung der Klage gegeben sind.
Insgesamt aber befürworte ich die Einrichtung einer Sammelklage ausdrücklich. Gerade in Deutschland hat man Verbraucherrechte jahrzehntelang stiefmütterlich behandelt und Konzerne systematisch bevorzugt. So sehr der Wirtschaftsstandort Deutschland auch zu schützen ist – den Bürgern muss ein effektiver Weg geboten werden, ihre Rechte gegen übermächtige Konzerne durchzusetzen. Die europäische Sammelklage ist hierzu ein begrüßenswerter Beitrag.«

EU-Sammelklage ab 2023 möglich

Bis die europaweite Sammelklage angewendet werden kann, wird allerdings noch etwas Zeit vergehen. Die EU-Länder haben nun zwei Jahre Zeit, ihre Gesetzgebung entsprechend anzupassen. Nach weiteren sechs Monaten, also im Jahr 2023, treten die Vorschriften dann in Kraft.

Wir setzen uns für Verbraucherrechte ein

Haben Sie Fragen zu Verbraucherschutzthemen oder benötigen rechtliche Hilfe, beispielsweise zum Thema Diesel-Abgasskandal oder Beitragserhöhungen in der Privaten Krankenversicherung? Wir von der BRR Verbraucherkanzlei Baumeister Rosing sind für Sie da. Nehmen Sie mit uns hier Kontakt auf oder rufen Sie uns an, montags bis freitags unter 030 / 22 01 23 80. Mit unserer Hilfe können Sie auch im Zuge eines kostenlosen Erstgespräches ihre Ansprüche ermitteln! Wir machen uns für Sie stark!

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